"Und ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und danach tun." "Und wenn ich mich rühmen wollte, wäre ich nicht töricht, denn ich würde die Wahrheit sagen. Ich enthalte mich aber dessen, damit nicht jemand mich höher achte, als er an mir sieht oder von mir hört. Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe. Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, daß er von mir weiche. Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne. Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Mißhandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten, um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark."
In dem Hesekiel-Text geht es um die Beziehung Gottes zum Volk Israel. Dieses hatte sich gegen Gott widerspenstig verhalten und lebte zu jener Zeit im Exil, wo ihm viel Leid widerfuhr. Durch den Propheten Hesekiel leitet Gott nun eine Wende ein: Er nimmt dem Volk Israel die Sturheit aus den Herzen und gibt ihm stattdessen ein verwandeltes Herz, eines, das willig mit Gott zusammenarbeitet. In der Bibel steht das Wort "Fleisch" gewöhnlich für "Schwäche" oder "Schwachheit", also dem Gegenteil von "Stärke" oder "Kraft". In unserem Text nun wird dem "Fleisch" der harte, kalte "Stein" gegenübergestellt. Gott verspricht, die Kälte aus dem Herzen des Volkes Israel zu nehmen und sie durch Lernfähigkeit zu ersetzen und durch die Bereitschaft, Gottes Willen zu tun. Gott erreicht das, indem er den Menschen seinen Geist eingibt.
Der Inhalt von 2. Korinther 12, 6-10 kommt in Paulus' Leben der Erfüllung dessen gleich, wovon in Hesekiel die Rede ist. Paulus spricht darüber, wie Gott ihn demütig gemacht hatte, indem er ihm nach intensiven geistlichen Erfahrungen "einen Pfahl ins Fleisch gab". Paul war durch diese Erfahrungen mit Kraft erfüllt worden; sie hatten ihm neue Autorität als Apostel Christi verliehen. Aber Gott hielt Paulus' Kraft und Autorität unter Kontrolle, damit er stets von der göttlichen Kraft abhängig sei. Gott führte Paulus und zeigte ihm, wie er seine neue Kraft gebrauchen solle. Der Pfahl in seinem Fleisch veränderte den Umgang des Apostels mit seiner geistlichen Kraft: Er zwang ihn, seine Aufmerksamkeit nicht auf das zu richten, was er als Mensch zu tun imstande wäre, sondern auf das, was Christus durch ihn erreichen könnte - trotz des Pfahls. Die beiden Hauptfiguren dieser Bibeltexte In Hesekiel ist Gott die wichtigste Gestalt. Wir wissen, das Gott relational, also ein Gott in Beziehung ist. Dieser Text nun erinnert uns an Gottes Bund mit dem Volk Israel, seinem auserwählten Volk. Gott hatte einen Bund mit dem Volk Israel geschlossen. Es war eine ungleiche Beziehung: Gott hatte dem Volk Israel Verheißungen gemacht, diese aber an Bedingungen geknüpft: (1.Mose 15 ; 2. Mose. 20; 5. Mose 6-21). An diese besondere Beziehung hat Gott das Volk Israel durch die ganze Heilsgeschichte hindurch erinnert. Doch manchmal missachtete und übertrat das Volk Israel die göttlichen Gebote. Deshalb hatte Gott es zugelassen, dass es in Gefangenschaft geriet, im Exil leben und dort viel Schweres erleiden musste. Nun aber verhieß ihm Gott die Rückkehr; und zu deren Beginn würde eine geistige und moralische Verwandlung stattfinden.
Die Hauptfiguren im 2. Korinther 12,6-10 sind Paulus und Gott. Zwischen Paulus und Gott bestand eine gegenseitige Beziehung (Apg 9). Dem historischen Jesus ist Paulus nie begegnet. In Apostelgeschichte 1,21-22 werden die Anforderungen an einen Apostel Christi beschrieben. Daran gemessen, erfüllte Paulus die Anforderungen nicht. In früheren Passagen des 2. Korintherbriefes war er zudem als töricht und schwach und seine Apostelwürde als nicht echt kritisiert worden. Paulus' apostolische Autorität und persönliche Integrität wurden angezweifelt. Sein Amt stand auf dem Spiel. In die Enge getrieben, musste Paulus sich verteidigen und seine Apostelwürde rechtfertigen. Er war versucht, seine außergewöhnlichen geistlichen Erfahrungen als Rechtfertigung seiner Überlegenheit über die andern Apostel ins Spiel zu bringen. Stattdessen entschloss er sich aber, seine Abhängigkeit von der Gnade Gottes zu betonen, die ihn durch sein ganzes Wirken hindurch begleitet und getragen hatte. Der Pfahl in Paulus' Fleisch Neutestamentler haben viel darüber debattiert, worin dieser Pfahl wohl bestanden hatte, denn Paulus selbst hatte dazu keine Erklärung abgegeben. Einige waren der Ansicht, es handle sich möglicherweise um eine Krankheit, etwa eine Sprachstörung, ein Augenleiden oder Epilepsie. Andere deuteten eine sinnliche Versuchung an. Noch andere erwähnten die andauernden Verfolgungen, denen Paulus ausgesetzt war. Was immer es letztlich war, Gott fand es ganz offensichtlich nicht nötig, dass wir erfahren, worum es sich handelte. Also lassen wir das Spekulieren, es hilft uns in keiner Weise weiter. Was aber klar ist: Es war etwas, das durch einen Boten Satans ausgelöst wurde, mit Gottes Erlaubnis, um so Paulus' Umgang mit der eigenen geistlichen Kraft unter Kontrolle zu halten. Ähnlich können die Erfahrungen von Hiob gesehen werden, oder jene von Jesus im Garten Gethsemane. Paulus und Jesus baten beide in ihren Gebeten, ihre Probleme mögen von ihnen genommen werden. In beiden Fällen nahm Gott ihnen die Probleme nicht ab, denn er hatte seine eigenen Pläne für die Menschheit. Stattdessen gab er ihnen die Gnade und die Kraft, trotz aller Schwierigkeiten nicht aufzugeben.
Wenn man den Text aus afrikanischer Sicht liest, wo es wegen der sozialen Ungerechtigkeit aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse, Ethnie, Klasse oder Geschlecht unsägliches Leiden und Leid gibt, dann ist man versucht, die Boten Satans in Afrika zu erwähnen und Gott die Frage zu stellen: "Warum wir, Herr?" Doch beides - die Frage an Gott und die Erwähnung Satans - löst die Probleme nicht. Es ist im Glauben verunsichernd, dass Gott solches Leiden zulässt, selbst bei zutiefst gläubigen, betenden Menschen. Die zentrale Frage ist: "Warum leiden Menschen, die an Gott glauben und ihm vertrauen?" Die Mehrheit der Afrikaner ist sehr spirituell. Afrikanische kirchliche Frauenorganisationen sind bekannt für ihre machtvollen Gebete, die von Fasten begleitet sind. Es ist nicht ungewöhnlich, afrikanische Mütter zu Gott rufen zu hören, er möge Armut, HIV/AIDS und andere unheilbare Krankheiten, Verbrechen, Arbeitslosigkeit, Gewalt gegen Frauen und Kinder und andere Probleme von ihnen nehmen, sie binden und in den feurigen Pfuhl werfen. Die Statistiken jedoch zeigen, dass die Armen ärmer werden, die Reichen reicher, und dass HIV/AIDS sich unvermindert ausbreitet. Auch die Gewalt gegen Frauen und Kinder nimmt zu. Die Fragen, die wir uns stellen müssen, sind diese: Sind das nun Probleme geistlicher Art? Können solche Probleme durch Beten und Fasten vertrieben werden? Sollten wir nicht beides verbinden: das Beten und das unerschrockene Handeln, das sich aus der Stärkung durch den Geist Gottes ergibt - und auf diese Weise versuchen, bedrückende Strukturen zu verändern, die durch den falschen Gebrauch der uns von Gott verliehenen Kraft entstanden sind?
Die Christen und Christinnen in Afrika dürfen nicht vergessen, dass wir unter Gottes Gnade handeln, solange wir auf der Erde leben. Afrika ist nicht der sündigste Kontinent auf Erden oder derjenige, der am meisten Gottes Zorn auf sich zieht. Aus Gründen, die wir nie ganz verstehen werden, lässt Gott in unserem Leben Ungerechtigkeit, Ungleichheit und Krankheiten zu. So leben wir in einer gefallenen Welt, die seufzt und sich ängstigt wie eine Gebärende. Die Ursachen von Afrikas Problemen sind auf lokaler wie auch auf internationaler Ebene zu suchen. Manchmal tragen Gebete und Aktionen dazu bei, die Ursachen des Leidens zu beseitigen. Andere Male kann das Gebet lediglich das Leiden lindern. Es gibt jedoch Zeiten, in denen "die Engel Satans nicht sogleich besiegt werden durch das siegreiche Gebet - obwohl sie letztlich dann doch überwunden werden". Was uns jedoch die Kraft gibt, weiterhin für die Gerechtigkeit Gottes auf Erden zu kämpfen, ist Gottes mächtige Stimme: "Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig." Wir danken dir, Gott und Schöpfer, dass du jedem und jeder von uns durch deinen Heiligen Geist die Kraft gibst Veränderung zu bewirken.
Wir danken dir, denn du wirst uns nie verlassen, nie im Stich lassen, wenn wir dir vertrauen. Selbst wo es Leiden gibt, bist du anwesend, und du hast einen Plan für dein Volk.
Dein Plan ist gut und bringt uns das Leben in Fülle, selbst inmitten des Leidens.
Danke, dass du ein Gott der Gerechtigkeit bist und Gerechtigkeit auf Erden sehen willst.
Danke, dass du uns auserwählst und durch uns wirkst, damit wir Frieden und Gerechtigkeit dorthin bringen, wo Menschen leiden.
Gib uns den Mut, zu wissen und zu tun, was recht ist, und darauf zu vertrauen, dass du dort wirkst, wo wir nichts verändern können.
Danke, dass du uns daran erinnerst, dass deine Gnade groß genug ist, uns durch jene Situationen zu begleiten, die wir nicht ändern können.
In Jesu Namen.
Amen.
Isabel Apawo Phiri
Prof. Isabel Apawo Phiri ist Professorin für Afrikanische Theologie an der Schule für Theologie und Religion der Universität KwaZulu Natal, Südafrika. Sie ist die Koordinatorin des Circle of Concerned African Women Theologians (Kreis engagierter afrikanischer Theologinnen).
Wie können wir mit diesen Texten arbeiten? "Warum wir, Herr?" Isabel Apawo Phiri zeigt Gründe auf, weshalb Menschen in Afrika auf diese Weise zu Gott rufen.
Wann hatten Sie persönlich das Gefühl, dass Schmerz und Ungerechtigkeit eine unerträglich schwere Last sind? Oder dass Ihre Glaubenstreue nichts zu zählen scheint und nicht durch positive Ergebnisse belohnt wird? Wenn Sie in einer Gruppe arbeiten, berichten Sie einander von solchen Erfahrungen. Achten Sie darauf, dass Sie den anderen die persönliche Sicht ihrer Geschichte lassen, ganz ohne zu deuten. Lassen Sie stattdessen deren Geschichten Ihnen eine Hilfe sein, die eigenen Erfahrungen zu verstehen.
Warum werden die Menschen in Hesekiel 36 als Menschen mit einem Herzen aus Stein geschildert? Kennen wir aus unseren Erfahrungen Ähnliches? Wie behindern ein steinernes Herz, Sturheit und Gefühlsarmut unsere Beziehung zu Gott und die Erfüllung seiner Pläne mit uns Menschen? Auf welche Weise erneuert uns der Heilige Geist?
In 2. Korinther 12,10 sagt Paulus: "Wenn ich schwach bin, so bin ich stark." Ist das Paulus' Art, mit einer unbequemen Wirklichkeit leichter zurecht zu kommen; oder verkündet er eine wichtige Wahrheit? Finden sie Wörter, die das Wort "Stärke" beschreiben. Wie treffend sind diese Wörter, in Anbetracht der Worte von Paulus? Worum bitten wir, wenn wir für eine starke Kirche beten? Finden Sie Beispiele für eine Kirche, die in der Schwachheit zur Stärke fand oder findet. Und inwieweit ist Gottes Gnade genügend für uns?
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