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04.05.05

Pfingstbotschaft 2005 der Präsidentinnen und Präsidenten des ÖRK

 

Gnade und Friede sei mit euch an diesem Pfingstfest 2005, an dem wir die vielfältigen Gaben des Heiligen Geistes feiern!

 

Der Apostel Paulus ermahnte euch, "liebe Brüder und Schwestern, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst" (Römer 12,1). Der Heilige Geist wurde nicht nur für unsere eigene Zufriedenheit und persönliche Erfüllung über die Menschheit ausgegossen, sondern er soll uns dazu befähigen, gemeinsam unseren Glauben durch Taten in der Welt zu bekennen. Unser geistlicher Gottesdienst fordert uns auf, unseren Leib zum Dienst an Gott und unserem Nächsten zur Verfügung zu stellen.

 

"Wer ist denn mein Nächster?" In einem Gleichnis Jesu ist es ein Samariter, Angehöriger einer fremden Religion, der als Feind betrachtet wurde (cf. Lukas 10,29-37). Vielleicht ist unser Nächster der, von dem wir es am wenigstens erwartet hätten, und die Grenzen, die wir zwischen uns und anderen wahrnehmen, können durch den gewaltigen Wind des Heiligen Geistes schnell in sich zusammenfallen.

 

Am Pfingstmorgen, so ist es in der Apostelgeschichte überliefert, versammelten sich in der Stadt Jerusalem Pilger aus vielen verschiedenen Völkern der Welt. Als der Heilige Geist über die Apostel ausgegossen wurde, begannen diese ungeachtet der großen Vielfalt derer, die ihnen zuhörten, mit der Verkündigung des Evangeliums. Verwundert und entsetzt fragte die Menge: "Sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache?" (cf. Apostelgeschichte 2,1-8). Das Pfingstwunder war die einzigartige Offenbarung, dass alle eng gezogenen Grenzen von Kultur, Religion, Rasse, Geschlecht und Sprache nichts sind verglichen mit dem heilenden, versöhnenden Willen Jesu Christi, der "den Zaun abgebrochen hat, nämlich die Feindschaft " (Epheser 2,14).

 

Heute wie damals scheint es nur menschlich, sich in Abgrenzung zu "den anderen" zu definieren - zu jenen Menschen, die nicht sind wie ich, wie wir.Wenn wir solche in unserer Umgebung antreffen, bezeichnen wir sie als Außenseiter. Wenn wir uns selbst in der Minderheit befinden, wenn wir die Erfahrung machen, was es heißt, "der andere" zu sein, scheint uns ein solches Konzept allerdings weniger gerecht. Jeder von uns hat schon einmal den entmenschlichenden Stich eines Blicks, eines Wortes, eines Witzes oder Gesetzes gespürt. Jeder von uns hat schon einmal die Scham, Enttäuschung, Empörung und Selbstentfremdung eines Außenseiters empfunden.

 

Pfingsten bringt uns die gute Nachricht, dass Jesus Christus uns zu einem neuen Bewusstsein unseres gemeinsamen Menschseins aufruft. Und der Heilige Geist ermöglicht uns die volle Teilhabe an wahrer Gemeinschaft. Eine solche Gemeinschaft des Volkes Gottes kann zum Werkzeug des Evangeliums werden, so wie die Apostel.

 

Der Ökumenische Rat der Kirchen und seine ökumenischen Partner aus den verschiedensten Traditionen und Bewegungen kommen in diesem Frühjahr in Athen zu einer Konferenz für Weltmission und Evangelisation zusammen. Im Lichte der Pfingstbotschaft zeigt das Thema der Konferenz - "Komm, Heiliger Geist, heile und versöhne! In Christus berufen, heilende und versöhnende Gemeinschaften zu sein" -, welche Rolle christliche Gemeinschaften bei der Überwindung von Grenzen zwischen Menschen spielen können.

 

Pfingsten erinnert uns daran, dass Gott in unserer Welt handelt, um Trennungen zu überwinden, zu heilen und uns mit Gott und miteinander zu versöhnen. Da, wo uns Sprachen einst trennten, können wir einander jetzt gut verstehen und Gott in Einigkeit preisen. Wo einst die Grenzen unserer Gemeinschaft das Ende unserer Freundschaft und Familienbande markierten, öffnet nun ein weltumspannender Begriff von Gemeinschaft unser Herz für alle Geschöpfe Gottes.

 

Alles, was ist, wurde von Gott geschaffen. Christus wurde uns als "alles in allem" geoffenbart. Der Heilige Geist weht, wo er will, so wie der Wind. Gott kennt keine Grenzen.

 

Pfingsten zwingt uns zu einem umfassenderen Verständnis von Gott, und wir erkennen, dass die Möglichkeiten für Gottes Wirken in der Welt grenzenlos sind. Gottes Barmherzigkeit ist tiefer, als wir es uns vorzustellen vermögen. Gott ist offener, als wir es uns je erträumt hätten. Gottes Liebe ist größer, als wir es uns vorstellen können. Und wir beginnen zu verstehen, dass die Grenzen, auf die wir in dieser Welt stoßen, Grenzen sind, die wir uns selbst und unserem Nächsten auferlegt haben.

 

Unser Verstand und unser Vorstellungsvermögen reichen nicht aus, und auch unsere Sinne sind nicht geschärft genug, um uns all dessen bewusst zu werden, was Gott ist, geschweige denn, um all seine Wege zu erkennen. Und doch ruft Gott uns auf, unseren Leib und unser Leben zur Verfügung zu stellen - für die Suche nach Gerechtigkeit, nach einem Ende der Gewalt, für das Einstehen gegen Hass und Unterdrückung, Diskriminierung und Krankheit, für ein liebevolles partnerschaftliches Wirken mit allen Menschen guten Willens. Und Gott hat uns zugesagt, dass sein Heiliger Geist uns in unserem Wirken für Heilung und Versöhnung begleitet.

 

"In deiner Gnade, Gott, verwandle die Welt" ist das Thema der bevorstehenden 9. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen, die vom 14.-23. Februar 2006 in Porto Alegre, Brasilien, stattfindet. So, wie der Heilige Geist am Pfingsttag die Apostel verwandelte um der ganzen bewohnten Erde willen, so stellen wir uns auch unsere Verwandlung als Einzelne, als Gemeinschaften und als Mitglieder der Kirche und der Welt vor. Ja, wir sehen der Verwandlung der gesamten Schöpfung mit Freuden entgegen - um unserer gemeinsamen Erlösung willen, für Gerechtigkeit und Frieden, für Liebe und Dienst am Nächsten -, damit wir gemeinsam Zeugen der Erfüllung der Prophezeiung eines neuen Himmels und einer neuen Erde sein können. In dieser Pfingstzeit möchten wir Delegierte und Besucher aus der ganzen Welt aufrufen, sich uns anzuschließen, wenn wir uns in Porto Alegre mit dem Thema "In deiner Gnade, Gott, verwandle die Welt" beschäftigen. Das Thema der 9. Vollversammlung ist gleichzeitig unser Gebet. Amen.

 

 

Präsidentinnen und Präsidenten des ÖRK

 

Dr. Agnes Abuom, Nairobi, Kenia

Bischof Jabez L. Bryce, Suva, Fidschi

Metropolit von Ephesus Chrysostomos, Istanbul, Türkei

Patriarch Ignatius Zakka I. Iwas, Damaskus, Syrien

Pfrin. Dr. Bernice Powell Jackson, Cleveland, USA

Dr. Kang Moon-Kyu, Seoul, Korea

Bischof Federico J. Pagura, Rosario, Argentinien

Bischof Eberhardt Renz, Tübingen, Deutschland