15.02.06
Elisabeth Raiser: Ökumene ist unverzichtbar
Elisabeth Raiser, Präsidentin des Ökumenischen Kirchentages 2003, auf der ÖRK-Vollversammlung
(*) Silke Fauzi
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"Wenn wir uns auf das Sakrament der Taufe konzentrieren, könnten wir manche Schwierigkeiten in der Ökumene leichter überwinden", sagte Dr. Elisabeth Raiser, Präsidentin des Ökumenischen Kirchentages 2003, in einem Interview am Rande der Vorbereitungstagung der Frauen.
In der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland hat die Ökumene es im Augenblick eher schwer. Woran liegt das?
Ich glaube, es ist in erster Linie ein Vermittlungsproblem. Wir müssen viel intensiver mit den Journalisten sprechen, wir müssen aber auch Texte produzieren, die die Menschen leicht verstehen können. Wir leben in einer Zeit, in der wir von einer Fülle von Informationen überflutet werden. Wir müssen deutlich machen, was der spezifische Ansatz des ÖRK bei Themen wie Globalisierung, Militarismus, Klimawandel ist. Oder in der Frage, wie wir mit den Wasservorräten dieser Erde umgehen. Die nördlichen Kirchen haben dabei ganz viel von südlichen Kirchen gelernt. Manche Fragen sind uns gar nicht präsent, aber wir lernen von anderen Kirchen. Ich glaube, dass dieses wechselseitige Lernen so wichtig ist, dass wir nicht auf die Ökumene verzichten können. Wir Deutsche tun uns leider etwas schwer mit dem Lernen von anderen, wir wissen immer schon, wie es geht. Vielleicht hat es die Ökumene in Deutschland auch deshalb schwer.
Die Medien konzentrieren sich gerne auf die Leitungsebenen der Kirchen, an der Basis scheint die Ökumene gut zu funktionieren.
Beim ökumenischen Kirchentag in Berlin haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Vorbereitung auf der Laienebene gut funktioniert hat, das wurde durch die Kirchenleitungen sehr unterstützt. Aber im Anschluss an den ÖKT haben sich die Medien nur noch auf den Abendmahlsstreit konzentriert, obwohl das an sich nur ein Seitenstrang war. Bei Basis-Veranstaltungen, wie der Vorbereitungstagung der Frauen zum Beispiel, muss man natürlich fragen, inwieweit die Basis Absicherung von offizieller Seite hat. Ich bin mir nicht sicher, ob das von offizieller Seite nicht oft als Spielwiese wahrgenommen wird, während die eigentliche Politik woanders gemacht wird. Darin sehe ich eine Gefahr für die Frauen. Wenn wir immer nur auf der Frauenschiene bleiben, bleiben wir auf der Spielwiese.
Wie ist ihr Eindruck von der Vorbereitungstagung der Frauen?
Bei solchen Vorkonferenzen braucht es an irgendeiner Stelle einen Durchbruch, an dem die Teilnehmerinnen zu einer Gemeinschaft werden. Hier wurde der Durchbruch schon recht früh geschafft. Oft ereignet er sich bei einem Gottesdienst und das war hier auch so. Seit der Vollversammlung in Vancouver in 1983 haben die Frauen Mut zu ganz besonderen Formen im Gottesdienst, die das ganze Wesen des Menschen ansprechen, die Gefühle und Sinne ebenso wie den Intellekt. Solche Gottesdienste sind immer ganz besondere Momente bei den Vollversammlungen.
Welche Themen bewegen die Frauen in der Ökumene heute?
Natürlich gibt es bestimmte Themen, die den Frauen besonders am Herzen liegen: der Beitrag und die Stellung der Frauen in der Kirche und in der Gesellschaft oder zum Beispiel die Möglichkeit für Frauen, in der Kirche Karriere zu machen, befördert zu werden. Dabei geht es gar nicht in erster Linie darum, dass Frauen auch in Machtpositionen gelangen wollen, sondern es geht auch darum, einen anderen Führungsstil zu praktizieren. Andere Themen sind Gewalt gegen Frauen und Kinder oder die Armut von Frauen. Generell gilt, dass Frauen versuchen, einen anderen Blick auf bestimmte Themen zu werfen. Ganz deutlich ist das beim Thema Krieg und Frieden. Ich will nicht sagen, dass Frauen nicht gewalttätig sein können. Aber Frauen haben in der Regel kein Interesse daran, Krieg zu führen - sie sind verantwortlich für Familien und Kinder und halten die sozialen Netze zusammen und diese Netze werden durch Krieg immer zerstört.
Wird dieser spezifische Beitrag der Frauen ausreichend gewürdigt?
Ich denke schon. Samuel Kobia hat das in seiner Rede vor den Frauen hervorgehoben. Natürlich ist es nicht so einfach, die Strukturen der Welt zu ändern. Aber der ÖRK trägt dazu bei, dass die Kirchen ein Sprachrohr für die Anliegen der Frauen sind. In Afrika und Lateinamerika ist die Stimme der Frauen in den letzten Jahren viel wichtiger geworden.
Wenn Sie an die nächste Vollversammlung des ÖRK in sieben Jahren denken - was wünschen Sie sich?
Dass es in der eingeschlagenen Richtung weitergeht. Dass ein wirkliches Netzwerk der Kirchen entsteht. Ich wünsche mir, dass die Konziliarität gestärkt wird, die Verbindlichkeit, die Solidarität, die Loyalität, das ökumenische Lernen. Ich wünsche mir, dass eine Gemeinschaft entsteht, die irgendwann gemeinsam Abendmahl feiern kann. Ich wünsche mir ein größeres Verständnis dafür, dass Jesus Christus alle Getauften zum Abendmahl einlädt. Natürlich hängt das mit dem Kirchenverständnis zusammen. Vielleicht brauchen wir einen Zugang von einer anderen Seite, von unserem Taufverständnis zum Beispiel. Wenn wir uns stärker auf das Sakrament der Taufe konzentrieren würden, könnten wir vielleicht manche Schwierigkeiten in der Ökumene leichter überwinden. Wir brauchen ein vertieftes theologisches Nachdenken über die Taufe und wir könnten die Tauferinnerung als liturgisches Element aufwerten. Das könnte manchen Stillstand im ökumenischen Gespräch überwinden.
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(*) Silke Fauzi, evangelisch-lutherisch, ist stellvertretende Pressesprecherin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Webseite der Vollversammlung:www.wcc-assembly.info