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21.02.06

Die jüngste Delegierte: Feuer, dass auf andere überspringt

 


Sylvia Karthäuser [links] mit Marion Best

 

von Friedrich Degenhardt (*)

 

 

Weitere Artikel und honorarfreie Fotos unter

www.wcc-assembly.info

 

 

Sylvia Karthäuser (20) ist die jüngste Delegierte der 9. ÖRK-Vollversammlung. Sie kommt aus der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und studiert "Soziale Arbeit/Soziale Diakonie" in Ludwigsburg bei Stuttgart. Am ersten Tag der Vollversammlung erhielt sie als symbolische Stabübergabe von der stellvertretenden ÖRK-Vorsitzenden Dr. Marion Best den Ergebnisbericht "Von Harare nach Porto Alegre".

 

Was hast Du gerade gemacht, als 1998 die 8. Vollversammlung in Harare, Simbabwe, stattfand?

 

Da war ich 12 Jahre alt und habe zum ersten Mal von Taizé gehört. Ein Jahr später habe ich an einem der Jugendtreffen dort teilgenommen. Das waren meine ersten ökumenischen Begegnungen. Nach meinem Abitur 2004 bin ich schließlich für ein ganzes Jahr nach Taizé gegangen. Als 'permanent' habe ich dort vor allem bei der Organisation der Wochentreffen für Jugendliche geholfen.

 

Welche Stationen gab es noch auf deinem ökumenischen Weg?

 

Außer regelmäßigen Wochentreffen in Taizé habe ich zwei Mal in meiner Heimatgemeinde den Weltgebetstag der Frauen mitgestaltet. Ich habe auch gerne an katholischen Jugendfreizeiten teilgenommen. Es ist gut, zu sehen, wie es in einer anderen Kirche zugeht. Die Marienanbetung und das Abendmahlsverständnis sind mir zwar fremd, aber z.B. das Bekreuzigen finde ich als persönlichen Ausdruck von Frömmigkeit sehr interessant.

 

Aus was für einer Gemeinde kommst Du?

 

Mein Heimatort Roitzsch ist ein kleines Dorf bei Torgau. Dort findet nur alle zwei Wochen ein Gottesdienst statt, zu dem im Normalfall nicht mehr als zehn älter Leute und ich als Gemeinde zusammenkommen. Die Pfarrerin bemüht sich um die Jugend, stößt aber leider nicht auf besonders viel Begeisterung. Vor fünf Jahren haben wir eine "Junge Gemeinde" gegründet. Das lief auch ganz gut, aber jetzt ist sie wieder eingeschlafen.

 

Und wie sieht es jetzt an deinem Studienort aus?

 

In Ludwigsburg bei Stuttgart gibt es ein ganz anderes spirituelles Leben. Das ist eine große Bereicherung für mich, eine Unterstützung, die mir Hoffnung gibt. Wir haben z.B. "Herz-Zentrum", die Vorbereitungsgruppe für einen monatlichen Gottesdienst in der Evangelischen Fachhochschule.

 

Und wie bist Du zur Delegierten für Porto Alegre geworden?

 

Durch die Jugendarbeit in meiner Gemeinde zuhause hatte ich u.a. Kontakt zur Beratergruppe Ökumene, Mission und Weltverantwortung in unserer Landeskirche, und ein Pastor dort hat mich als Delegierte vorgeschlagen. Eines Tages kam bei mir in Taizé ein Brief an, der mich als Jugenddelegierte zur EKD-Vorbereitungstagung in Hannover einlud. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht viel über den ÖRK. Das war sehr spannend! Ich bin dann eine Woche früher als geplant von Taizé abgereist und seitdem bin ich 'unterwegs'.

 

Welches Thema interessiert Dich hier auf der Vollversammlung besonders?

 

Wir haben uns als Jugenddelegierte aus Deutschland dafür entschieden, die Dekade zur Überwindung von Gewalt zu unserem Schwerpunkt zu machen, weil sie auf ihre Weise alle Themen der Vollversammlung verbindet, gerade wenn man an strukturelle Gewalt denkt. Wir haben dazu für deutsche Jugendgruppen auch schon vor der Vollversammlung eine Arbeitsmappe herausgegeben.

 

Hier in Porto Alegre will ich einfach ich sein. Ich lerne gerade, meinen Perfektionismus abzulegen, denn ohne viel Vorwissen kenne ich natürlich die Strukturen noch nicht so genau. Das braucht Zeit. Vor einem Jahr habe ich noch nicht einmal genau gewusst, was der ÖRK ist. Ich will vor allem viel von den Begegnungen hier mitnehmen. Wo ich dann die Chance haben werde, mich einzubringen, wird sich zeigen.

 

Was ist Ökumene für Dich?

 

Sichtbare Einheit. Ich finde es schade, dass konfessionell noch so viel getrennt wird. Aber ich habe die Hoffnung, dass wir uns immer mehr aufeinander zu bewegen werden. Für mich ist das gemeinsame Abendmahl das Ziel.

 

Im Plenum hast Du die älteren Delegierten, "die Blumen auf der Wiese", gebeten, Euch jugendliche "Samen zu nähren". Wie kann das geschehen?

 

Ich will auf Erwachsene zugehen, sie ganz konkret ansprechen. Dann werde ich sehen, was sie bereit sind, für die Jugend zu tun. Ich hoffe, dass die Erwachsenen eine ihrer Aufgaben darin sehen, uns Vorbild zu sein und nicht einfach über das hinwegsehen, was wir sagen und tun.

 

Die konkreten Fragen müssen sich noch entwickeln. Wegen der vielen Eindrücken hier habe ich erst einmal drei Tage gebraucht um innerlich überhaupt anzukommen. Erst beim 'interkulturellen Abend' während der Vorbereitungstagung der Jugend habe ich dann gemerkt: Jetzt bin ich da.

 

Bist Du bereit, als Delegierte dieser Vollversammlung weitergehende Verantwortung zu übernehmen?

 

Ich wurde tatsächlich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, in den Zentralausschuss zu gehen. Nach längerem Nachdenken habe ich abgelehnt. Ich habe mich noch zu jung und unerfahren gefühlt für die Gremienarbeit. Das wäre eine ziemliche Verantwortung gewesen, auf die ich mich meinem Gefühl nach noch nicht einlassen konnte.

 

Was möchtest Du mit nach hause nehmen und weitergeben?

 

Ich habe schon einige Einladungen zur Berichterstattung von Gemeinden, auch von meiner eigenen. Ich möchte dort gerne die Atmosphäre von hier vermitteln, weitergeben, was mir jetzt ins Herz geht. Ganz wichtig sind mir die Begegnungen. An Leuten und dem interkulturellen Austausch bin ich ganz besonders interessiert, nicht nur an Strukturen und Themen.

 

Wenn ich wieder zuhause bin, hoffe ich, dass ich andere anstecken kann, dass sich jemand von mir anstecken läßt. Ich möchte die ökumenische Bewegung für andere lebendig machen, den Blick bei einigen Leuten etwas weiten: von der Gemeindeebene hin auf die weltweite Gemeinschaft der Kirchen.

 

Ich versuche, wie ein Feuer zu sein, dass auf andere überspringt.

 

[858 Wörter]

 

(*) Friedrich Degenhardt ist Journalist und Pastor der Nordelbischen Ev.-luth. Kirche. Nach einem Jahr beim ÖRK in Genf arbeitet er jetzt in einer neuen 'regionalen ökumenischen Arbeitsstelle' in Hamburg.

 

Webseite der Vollversammlung:www.wcc-assembly.info

 

Kontakt in Porto Alegre:+55 / 51 8419.2169